Wie viel Welt erträgt das TV?

Journalisten kommentieren Nachrichten und beweisen, wie theatertauglich Medienkritik ist.

Von Petra Rathmanner

15.06.2008 / Wiener Zeitung

"Das Fernsehen hat feste Regeln. Bei den Western gewinnen immer die Guten, bei den Nachrichten immer die Bösen", scherzte einst TV-Moderator Robert Lembke. Von wem die Bösen allerdings verkörpert werden, darüber sind sich Sendeanstalten weltweit – von CNN über Al Jazeera bis zum russischen RTR und dem lateinamerikanische Tele Sur – keineswegs einig. Mit den unterschiedlichen medialen Gewichtungen und Präsentationen der Nachrichtenlage beschäftigt sich nun das deutsche Theaterkollektiv "Rimini Protokoll" auf so humorvolle wie hintergründige Weise in "Breaking News", der jüngsten Rimini-Produktion, die im Rahmen der Festwochen in Wien gastiert.

Die Bühne der Halle G des Museumsquartiers entspricht dabei einer begehbaren Installation aus zahlreichen Bildschirmen, auf denen via Satellitenschaltung aktuelle Abendnachrichten von rund zehn internationalen TV-Stationen eingeblendet sind.

Experten des Alltags
Statt Schauspieler treten beim Rimini-Spiel stets sogenannte "Experten des Alltags" auf: Menschen, die auf einem bestimmten Gebiet viel Sachverständigkeit besitzen. In diesem Fall sind dies vor allem Journalisten, die sich – als Teil des von den Riminis überaus erfolgreich etablierten Formats eines dokumentarischen Theaters – im Grunde selbst spielen: Ein AFP-Nachrichtenredakteur moderiert als Conférencier die Live-Schaltungen zwischen den einzelne Sendern. Die Nachrichten-Mosaike werden von einem achtköpfigen Team übersetzt und kommentiert.
Die Medienkapazitäten tragen mit ihrer Fachkenntnis sowie ihren Lebensschilderungen den Abend. Ihnen ist es zu verdanken, dass der zweistündige Theateressay über das Funktionieren der globalen Medien selbst so gut funktioniert: Der Kurde Djengizkhan Hasso kritisiert etwa die tendenziöse Berichterstattung von Al Jazeera.
Die Inderin Sushila Sharma-Haque ergriff den Beruf der Radiomoderatorin gegen den Willen ihrer Mutter: "Journalisten haben keinen Charakter." Der ehemalige Afrika-Korrespondent Hans Hübner erzählt aus seinem Leben an der Nachrichten-Front. Die spitzzüngigen Bemerkungen des Medienkritikers Walter van Rossum sorgen während des Abends für gute Laune.
So ist die Welt, betrachtet via TV-Schirm. Ist sie so?
Theater
Breaking News Von Rimini Protokoll Helgard Haug, Daniel Wetzel (Regie) Mit: Simon Birgisson u.a.
Sonntag, 15. Juni 2008


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