Wie bekämpft man Kriege?

Großartig, informativ, unparteiisch: Stefan Kaegi von Rimini Protokoll inszenierte an den Kammerspielen eine „Sicherheitskonferenz“ als Gegenentwurf zur Münchner Politveranstaltung

Von Gabriella Lorenz

23.10.2009 / Abendzeitung

Wie hochpolitisch Theater sein kann, ohne Agitation oder Betroffenheitspose, beweist Stefan Kaegi vom Regiekollektiv Rimini Protokoll. Seine Inszenierung „Sicherheitskonferenz“ im Neuen Haus stellt die jährliche Münchner Sicherheitskonferenz nach und ist gleichzeitig ein Gegenentwurf. Denn in der Mischung aus Doku-Theater und Versuchsanordnung kommen nicht Politiker, sondern Konferenz-Mitarbeiter mit ihren authentischen Erfahrungen zu Wort, ebenso Menschen, die Kriege erlebt haben oder vor ihnen geflüchtet sind. Langer Applaus für eine großartige Aufführung.
Der Raum ist eine getreue Nachbildung des Festsaals im Bayerischen Hof, in dem die Konferenz traditionell stattfindet. Am riesigen ovalen Tisch nehmen die Zuschauer als Konferenzteilnehmer Platz, unter ihnen die Darsteller. In der Mitte unter dem Kristall-Lüster steht ein Blumenge-steck, an einer Schmalseite die Dolmetscherkabine. Zwei Videoleinwände zeigen die Sprecher live oder Aufnahmen etwa aus Afghanistan.
Politisches Theater
Neun „Experten des Alltags“ lässt Stefan Kaegi von der Konferenz oder Auswirkungen von Kriegen berichten. Drei von ihnen werden durch Schauspieler vertreten: eine Soldatin, die im Sanitätsdienst in Afghanistan ist, durch Caroline Ebner; der Geschäftsführer eines Rüstungskonzerns durch Jochen Noch, eine Konferenzdolmetscherin durch Annette Paulmann. Die anderen erzählen ihre Geschichte selbst. Eine Schneiderin aus Somalia, deren halbe Familie im Krieg ermordet wurde, vergleicht das Leben in Mogadischu mit dem in München. Der Imam der afghanischen Gemeinde in München, der als Widerstandskämpfer aus Afghanistan floh, erzählt, wie er 2001 alle afghanischen Konfliktparteien zu einer Konferenz in München versammelte. Die Soldatin erklärt, warum sie ein Disziplinarverfahren bekam und später rehabilitiert wurde. Ein Kameramann schildert seine Erlebnisse in Kriegs- und Katastrophengebieten und bei der Münchner Sicherheitskonferenz, der Manager referiert über die Entwicklung der Rüstungsexporte. Aus dem diplomatischen Nähkästchen der Sicherheitskonferenz berichten der langjährige Protokollchef und die Dolmetscherin. Ein Spezialist für Mikro-Roboter (die live einen Schaukampf liefern) demonstriert die technologische Zukunft, ein Experte für asymmetrische Kriegsführung spielt strategische Planspiele im UNO-Sicherheitsrat durch.
Das kunstvoll inszenierte Kaleidoskop aus Fakten, Ursachen und Wirkungen informiert unparteiisch, es unterhält sogar mit kleinen Spiel-Einlagen. Es soll auch während der Sicherheitskonferenz im Februar 2010 gezeigt werden. Ob es dann Polizeischutz braucht?

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