Singen und saugen

"Radio Muezzin": Gerade im Beharren auf dem Alltäglichen gelingt es Regisseur Stefan Kaegi in seinem Stück mit vier Muezzins aus Kairo, einen spielerischen und beiläufigen Blick auf den Islam zu werfen. Im Berliner HAU-Theater wird es erstmals in Deutschl

Von TIM CASPAR BOEHME

05.03.2009 / taz - Kritik

Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr
Hussein Gouda Hussein ist blind. Früher, sagt der Muezzin aus Kairo, seien die Muezzine meistens blind gewesen. Bis in die Fünfziger hätten sie nämlich noch vom Minarett gesungen, und man wollte nicht, dass sie von dort Frauen in der Nähe der Moschee betrachten können. Hussein selbst war ein einziges Mal zum Singen auf dem Minarett. Wie seine Kollegen, die mit ihm am Dienstag im HAU in Berlin von ihrem Arbeitsalltag berichteten, singt er seine Gebete in ein Mikrofon, Lautsprecher übertragen seine Stimme in alle Himmelsrichtungen. Früher kamen die Lautsprecher aus Ägypten, später aus der DDR oder der Sowjetunion. Heute sind sie aus China.

Hussein ist einer von vier Muezzins, die der Regisseur Stefan Kaegi für sein Stück "Radio Muezzin" gewinnen konnte. Sie alle erzählen von sich, von ihrer Arbeit und ihren Familien. Da ist der Elektriker, der nach einem Autounfall vom Imam aufgefordert wurde, für ihn die Gebete in der Moschee zu sprechen. Oder der studierte Jurist und ehemalige Gewichtheber, der stolz von seiner Auszeichnung als Vizeweltmeister im Koranzitieren erzählt. Sie sprechen nicht über Religion, sondern über ihr Leben - oder über das, was sie von ihrem Leben preisgeben möchten.
Anlass für das Projekt des Schweizers Stefan Kaegi, einer der drei Köpfe des mit Realitätsexperimenten bekannt gewordenen Regiekollektivs Rimini Protokoll, ist eine Entscheidung des ägyptischen Ministers für religiöse Angelegenheiten, nach der im nächsten Jahr der individuelle Gesang der Muezzins abgeschafft und durch einen zentralen Ausrufer im Radio ersetzt werden soll. Die Kakofonie des Durcheinanders der nicht immer gleich talentierten Gebetsrufer, deren vielstimmiger Chor zur Geräuschkulisse islamisch geprägter Städte gehört, wäre damit beendet. Der wesentliche Inhalt der Arbeit der Muezzins wäre es auch.
Einen leisen Eindruck von der Einheit in der Vielfalt bekommt man gleich zu Beginn des Stücks, als die vier Muezzins nacheinander ihren Gesang anstimmen. Jeder singt in seinem Tempo und in seiner Stimmlage. Das Ergebnis ist zwar nicht gerade harmonisch, doch das Geflecht aus Rhythmen und Obertönen hat eine ganz eigene Schönheit. Die zentralisierte Übertragung aus dem Radio würde die Stadt mit einem undurchdringlichen Echo des einen Gesangs überziehen, dem die anderen Muezzine lauschen müssten.
Um ihre Arbeit brauchen sie dennoch nicht fürchten. Wie die Zuschauer von dem ungleichen Quartett erfahren, hat ein Muezzin verschiedenste Aufgaben in einer Moschee zu verrichten. Sie arbeiten hauptsächlich als Hausmeister, die aufschließen, mit dem Staubsauger die Teppiche reinigen und während des Gebets die Schuhe bewachen. Immer wieder holen sie ihren Alltag in das Stück, der Elektriker schraubt an Schaltern auf seinem Tischchen herum, ein anderer saugt die auf der Bühne ausgelegten Teppiche. Obwohl viele von ihnen offiziell vom Staat angestellt sind, ist ihr Gehalt eher mager. Einer der offiziellen Gebetsausrufer muss zusätzlich in einer Bäckerei arbeiten, um seine Kinder zu ernähren.
Nicht jeder der vier wird in Zukunft auf den eigenen Gesang verzichten müssen. Muhammad Ali Farag, als Vizeweltmeister im Koranzitieren in der ganzen islamischen Welt gefragt, kann sich freuen, einer von 30 Auserwählten zu sein, die im Radio beten dürfen. Da Aufzeichnungen der Gebete für die Minarettbeschallung nicht zulässig sind, muss stets live übertragen werden. Farag freut sich, dass ihn dann Millionen Gläubige hören können, doch, wie er einschränkt, "können sie mich nicht sehen". Seine Kollegen sind vom Radiokonzept weniger überzeugt. Hussein findet, dass jeder Muezzin in seiner Tonart singen sollte: "Das ist besser für den Islam."
Mit "Radio Muezzin" hat Kaegi ein Stück über einen Ausschnitt der Kairoer Gesellschaft gemacht, der berufsbedingt eher selten auf Bühnen zu sehen ist. Wie beiläufig geht es dabei auch um den Islam als Religion, allerdings vermittelt durch einen sozialen Rahmen, der einen nüchternen Blick gestattet.
Von Regierungsseite in Ägypten freilich wurden manche banal scheinenden Vorgänge des Projekts nicht immer gutgeheißen. So mussten die Muezzine auf der Bühne vom gewohnten Dominospiel absehen, und die im Hintergrund projizierten Filmaufnahmen durften "keinen Müll und keine Schauspieler" zeigen.
Doch gerade im Beharren auf dem Alltag gelingt Kaegi das Kunststück, mit dem Thema Islam auf fast schon spielerische Weise umzugehen, ganz ohne moralisch oder belehrend-öde zu werden. Wie auch in der entwaffnenden Auskunft des offiziellen Muezzins, der sich einen Bart wachsen ließ, weil es der Tradition des Propheten entspreche: "Ich stutze ihn aber regelmäßig, weil ich sonst Pickel bekomme."

"Radio Muezzin", im HAU 2 in Berlin, bis 9. März, 20 Uhr


Projekte

Radio Muezzin