Rituale und Routine des Sterbens

Rimini Protokoll bietet inszenierte Realität

Von Susanne Schulz

13.05.2004 / Nordkurier

Wann kommt der Tod? Wie klingt er? Was kostet er? Mindestens sieben Euro pro Buchstabe, veranschlagt der Steinmetz. Mit Orgel doppelt so viel wie ohne, sagt die Traufeier-Violinistin. 5000 Euro für eine Einäscherung und Seebestattung, hat sich der einstige Bürgermeister und Flammarium-Initiator schon mal ausrechnen lassen. Da reden Leute, die sich auskennen mit dem Tod. Realtheater ist das Konzept der Regiegruppe Rimini Protokoll, die bisher unter anderem mit einer nachgestellten Bundestagsdebatte („Deutschland 2“) reüssierte und ihr jüngstes Projekt „deadline“ – eine Koproduktion des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg mit dem schauspielhannover, dem Hebbel am Ufer (HAU) Berlin und dem Wiener Burgtheater – derzeit beim Theatertreffen in der Hauptstadt vorstellt.

Wahrend im Fernsehen die Bestattungskultur zum Sitcom-Sujet wird (siehe TV-Kritik), sezieren auf der Bühne nun also Sterbe-Spezialisten wie Steinmetz, Musikerin, Nekropolen-Erfindeer, Trauerredner und Präparatorin den Weg zum Tod und das, was dann zu tun bleibt. Bizarres und Banales begegnen sich in diesem Bühnenlabor. Die aus realen (Neben-)Berufen für dieses Stück rekrutierten Experten sprechen und spielen über Rituale und Routinen ihrer Profession, Bestattungs-„Charts“, letzte Worte und Stimmen aus dem Jenseits.

Authentisch genug, um die Zuschauer teilhaben zu lassen am Erlebnis innovativen Theaters, das die Grenze zwischen Bühne und Realität aufweicht (auch mit eingespielten Videosequenzen, in denen Schauspieler und Requisiteure reflektieren, wie denn Theater mit dem Tod umgeht). Und inszeniert genug, um das beklemmende Thema emotional erträglich zu machen mit der Distanz der Überhöhung und Anflügen grotesker Humorigkeit. Theatertreffen-Jury und das Publikum zeigen sich gleichermaßen beeindruckt und berührt von dieser unbefangenen, kunstvollen Art, dem Tod ins Auge zu sehen.


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