«Karl Marx: Das Kapital, Erster Band» in Düsseldorf uraufgeführt

Von (dpa)

05.11.2006 / Augsburger Allgemeine

Düsseldorf (dpa) -«Rimini Protokoll» bietet die Gewähr für Theater der ganz anderen Art. Hinter dem Markennamen verbergen sich Helgard Haug & Daniel Wetzel. Sie haben eine Methode entwickelt, die Scheidelinie zwischen Kunst und Leben zu verschieben - zu Gunsten des Lebens.

Für ihr neues Stück «Karl Marx: Das Kapital, Erster Band», das am Samstag im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels uraufgeführt wurde, sprachen sie zum Thema mit 100 Zeitgenossen und wählten acht für ihr Bühnenstück aus. Thomas Kuczynski, Statistiker und Wirtschaftshistoriker, spielte eine Hauptrolle: Er berichtete über sein Vor! haben, aus den drei vorliegenden verschiedenen Fassungen von Marx' Hauptwerk eine neue Version zu destillieren, die den Intentionen des Philosophen möglichst nahe kommt.

Er stand als seriöser, kenntnisreicher Wissenschaftler im krassen Gegensatz zu einem Hochstapler, dem geldgierige Hamburger Millionen anvertrauten, damit er ihr Geld auf wundersame Weise möglichst rasch vermehre. Dessen Geschichte erzählte Ulf Mailänder, Autor und Coach, der sie für den genialen Betrüger aufgeschrieben hat.

Von Geldgier und dem Wunsch, ganz schnell reich und unabhängig zu werden, berichtete auf sublime Weise auch Christian Spremberg. Er bewirbt sich unermüdlich für Quizshows, obwohl ihm längst klar ist, dass er kaum eine Chance hat, weil so viele Interessenten um so wenige Plätze buhlen: Alle wollen ans schnelle Geld.

Spremberg ist blind. Er verkörperte in intensiver Weise das ganz Besondere des Abends: Die ! Authentizität. Kein Schauspieler tritt auf, sondern Mensc! hen mit ihren Schicksalen. Wenn auch immer wieder Längen die Uraufführung dehnten, die vor einer riesigen Bücherwand (Bühne: die beiden Regisseure und Daniel Schulz) spielte, so ergab sich doch ein umfassendes Bild.

Mit der Gier nach Geld und Glück und dem Scheitern dieses Traums, entsteht ein Bedürfnis, den Gesamtzusammenhang zu durchschauen - und gerade diese Analyse unternimmt «Das Kapital» von Karl Marx. Die berühmten blauen Bände wurden im Publikum verteilt. Ab und zu während des zweistündigen, überwiegend kurzweiligen Abends zitierte einer der Protagonisten aus der «Kritik der politischen Ökonomie» - da war es hilfreich, nachschlagen und mitlesen zu können.

Einige wenige Zuschauer verließen allerdings die Aufführung, mutmaßlich enttäuscht von dieser Art, sich dem «Kapital» zu nähern. Der große Teil des Publikums aber folgte den Prot! agonisten, es wurde viel gelacht und geschmunzelt - am Ende konnten alle Beteiligten begeisterten, lang anhaltenden Beifall verbuchen. Der «Kapital»-Band musste an der Saaltür zurückgegeben werden.


Projekte

Karl Marx: Das Kapital, Erster Band