Im Gewitter der Bilder

Die Gruppe Rimini Protokoll folgt mit „Breaking News“ den internationalen Nachrichtenströmen

Von Jörg Giese

07.01.2008 / Märkische Allgemeine

BERLIN - Die vier Satellitenschüsseln auf dem Dach des Hebbel-Theaters reichen aus, um 2000 Sender zu empfangen. Die Bilder dieser internationalen Nachrichtenströme laufen auf 21 Fernsehern, mit denen die Theatergruppe Rimini Protokoll die Bühne gefüllt hat. Zu Beginn des Abends sind sie verdeckt von Stellwänden, die das Bild eines mit Satellitenschüsseln gespickten Wohnblocks ergeben. Davor stehen neun Alltags-Experten und erzählen, welchen Satelliten sie anpeilen, um sich zu informieren.
Helgard Haug und Daniel Wetzel, die Regisseure von Rimini Protokoll, erarbeiten ihre Inszenierungen mit Fachleuten, die in diesem Dokumentartheater keine Rollen übernehmen, sondern nur sich selbst darstellen und von ihrer Arbeit erzählen. Für „Breaking News“ haben sie Journalisten, Übersetzer und politische Aktivisten aus aller Welt verpflichtet. Personal für einen erhellenden Blick hinter die Kulissen der Nachrichtenstudios ist also vorhanden. Nur kommt es an diesem Abend nicht dazu, seine Kompetenz auszuspielen.
Denn Haug und Wetzel haben sich eine Live-Analyse der globalen Bilderströme vorgenommen. Nachdem die Mitspieler die Stellwände zur Seite geschoben haben, nehmen sie ihre Plätze vor den Bildschirmen ein. Um zwanzig Uhr werden dann Nachrichtensendungen aus aller Welt eingeblendet. Andreas Osterhaus, Redakteur der französischen Nachrichtenagentur AFP, fordert nun die Experten auf, im schnellen Wechsel Stil und Inhalt der Informationen zu analysieren. Zwischendurch trägt der ehemalige Afrikakorrespondent Hans Hübner von seinem exponierten Platz oberhalb der Bildschirmlandschaft Passagen aus Aischylos’ „Die Perser“ vor, dem einzigen antiken Drama, das aktuelle
politische Ereignisse verarbeitet. Aber diese Montage zieht den Abend lediglich in die Länge, ohne ihm Tiefe zu geben.
Dürfen sich die Experten dann doch einmal von den Bildschirmen lösen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen, wird es durchaus interessant, vor allem, wenn Walter van Rossum das Wort ergreift. Lustvoll lästert der Medienkritiker über den „pedantischen Konformismus“ der Tagesschau: „Die Redakteure verwechseln die Selbstdarstellung der Politiker mit der Darstellung von Politik“. Aber genau wie die anderen wird auch van Rossum so oft von Osterhaus abgewürgt, dass er sich beschwert, „wie hier Medienkritik unterdrückt“ wird.
„Breaking News“ bricht das Nachrichtensystem nicht auf, sondern bildet es lediglich ab. Wie die Fernsehsender setzt diese aufwändige Tagesshow einseitig auf den Zauber der Live-Übertragung. Würden Haug und Wetzel die Sattelitenschüsseln wieder abmontieren und
stattdessen das Hintergrundwissen der Experten einspeisen, könnte das noch eine richtig spannende Inszenierung werden. Aber so hat das Fernsehen an diesem Abend das Theater entzaubert. Obwohl es umgekehrt geplant war.
Breaking News, bis 6., 8.-10. und 12. Januar, Hebbel-Theater, Hallesches Ufer 32, Berlin-Kreuzberg, Karten unter 030/25900427.


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