Guck mal, wat de Jakob hat

Den Bonner Markt sieht man von nun ab mit anderen Augen.

Von Dietmar Kanthak

01.09.2004 / Bonner Generalanzeiger

THEATER BONN Mit Helgard Haugs und Daniel Wetzels „Markt der Märkte“-Projekt ist das Schauspiel im Herzen der Stadt angekommen. Den Bonner Markt sieht man von nun an mit anderen Augen.

Dax, M-Dax, S-Dax, Tec-Dax, Nasdaq, Euro-Stoxx 50 und Rex – wer schaut da noch durch? Marktwirtschaft nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein sprachliches Phänomen. Wer besser als das Theater könnte hier mit dem Mittel von Wort und Bild die Strukturen erhellen, zeigen, was das ganze System, in und von dem wir leben, im Innersten zusammenhält.

Helgard Haugs und Daniel Wetzels betreiben mit ihrem „Markt der Märkte“-Projekt auf dem Bonner Marktplatz seit gestern Abend „Feldforschung zum Thema Wirklichkeit“. Vom Café des Metropols aus können jetzt immer mittwochs rund 30 Zuschauer, Kopfhörer auf den Ohren, miterleben, was auf dem Markt zwischen halb sechs und viertel nach sieben los ist; es ist die spannende Zeit zwischen Verkaufsfinale, Abbau und Abfallentsorgung.

In seinen besten Augenblicken gelingt es dem mit Statisten und realen Markt- und Müllbeseitigungs-Figuren besetzten Spektakel, menschliche Schicksale abzureißen. Außerdem erfährt man, von einer Erzählerstimme im Ohr geführt oder mittels Originalzitaten, wer hier das Sagen hat. Uwe Freyberg, der Eiermann vom Stand „Horst Freyberg und Sohn“, kennt sie alle: den Peter und den Willi, den Rudi und die Simone, Bananen-Collin und natürlich den „Spargeldreher Nummer eins“. Dessen Motto liest sich so: „Guck mal wat de Jakob hat“. Den Bonner Markt sieht man von nun an mit anderen Augen. Per Kopfhörer erfährt der Zuschauer einiges über Wirtschaftslage und ökonomische Probleme, über Sozialdarwinismus auf dem Markt, Neid und Konkurrenz. Alsbald leitet der Erzähler über ins Reich der großen Wirtschaft, zur Commerzbank nach Frankfurt zum Beispiel, wo analoge Markt-Mechanismen, allerdings auf hohem Niveau, zu beobachten seien.

Doch nicht der etwas bemühte ökonomische Überbau bleibt im Gedächtnis, sondern der Anekdotenreichtum und das unverwechselbare Idiom der Händler und Verkäufer. Hier schaut das Theater dem Volk einmal aufs Maul, und das ist in seiner ungekünstelten Spontaneität witziger und spannender als so manches blutjunge Dramatiker-Debüt.

Die Statisten bringen einen Hauch von Absurdistan ins Geschehen ein; einer gibt Erfahrungen aus dem Bayreuther Kartenbüro zum Besten, da herrsche ein vergleichbares Gedrängel und Feilschen. Der Bonner Markt ist eben universell. Und auch der musikinteressierte Theater-Konsument kommt nicht zu kurz. Für ihn stimmt der Statisten-Chor den Bananen-Rap an: „Ba-na, Ba-na, Ba-nanen.“ Die kriegt man zu Marktschluß praktisch geschenkt.

Die nächsten Aufführungen: 1., 8., 15. , 22. und 29. Oktober, jeweils 17.30 Uhr; Karten unter anderem in den Geschäftsstellen des Bonner Generalanzeigers.


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