Ein Strich auf dem Papier

Wie Fritz Kuster wieder Zöllner wurde

Von Simone von Buren

31.05.2006 / Basler Zeitung

Fritz Kuster mag eigentlich eher die leichte Bühnenkost. Im mobilen Theaterprojekt «Cargo Sofia-Basel» am Basler Theater spielt er nun seine eigene Rolle als Zöllner am Grenzübergang.

Im Inserat werden Zöllner gesucht für ein Theaterprojekt. Fritz Kuster, unlängst pensionierter Zollbeamter im Warenverkehr, meldet sich. Neue Herausforderungen sucht er immer wieder. Seit seiner schweren Kindheit als Verdingbub im Emmental kennt er kein «Ich kann nicht.»

Stefan Kaegis «Cargo Sofia-Basel», welches das Publikum in einem zum Guckkasten umgebauten Lastwagen in die Autobahnraststätten, Verladerampen, Containerhafen und Zollämter in der Agglomeration führt, ist nicht das Theater, das Fritz Kuster kennt. Er interessiert sich eher für leichtes «Bauerntheater,» wie er es lachend nennt. Am Anfang ist ihm denn auch Kaegis Konzept nicht ganz klar.

KONTROLLEUR. Doch im Gespräch mit dem Regisseur entwickelt er seine Auftritte: Ein erstes Mal begegnet er dem Publikum beim alten Zollamt an der Freiburgerstrasse, wo zu Beginn seiner Karriere knapp 400 Lastwagen pro Tag die Grenze passierten. Heute sind es über 5000. Der Zöllner stand dort bei jedem Wetter auf der Strasse und fühlte sich wie ein Zwerg, weil er hinaufsehen musste zu den Chauffeuren in den Fahrerhäuschen.

Dann spricht Kuster beim heutigen Export auf Schweizer Seite über die Ausfuhrkontrollen. Und zuletzt kreuzt ihn der mobile Zuschauerraum beim Import, wo Lastwagen auf verbotene Waren kontrolliert und Mehrwertsteuer und Zollgebühren bezahlt werden.

Was bedeutet für den langjährigen Zöllner die Grenze? «Ein Strich auf dem Papier. Nichts Anderes.» 1989 gab es zuerst Probleme mit den Fahrern aus dem Osten, erzählt Kuster, der seinen Beruf liebte. «Sie meinten, mit Geld ginge alles.» Einer der am Projekt beteiligten bulgarischen Fahrer hat erzählt, es laufe dort heute noch so: «Bis zur Hälfte des Lohns geht für Schmiergeld drauf. Und man kann ganze Tage an der Grenze stehen.» Dass sie hier für ein Theaterprojekt ohne Passkontrolle zwischen den Ländern verkehren, könnten die Fahrer kaum fassen. Damit dabei auch alles richtig läuft, hat Kuster an seinem alten Arbeitsplatz noch einiges geregelt.

PERFEKTIONIST. «Ich war im Zollwesen immer ein Perfektionist. Aber im Projekt muss ich die komplexen Abläufe verkürzt darstellen. Trotzdem muss es korrekt und klar sein. Das war schwierig», meint er. Doch nun steht der Text, entwickelt und ausgefeilt in Absprache mit Kaegi. Kuster wird das Berndeutsch sprechen, das er in all seinen Basler Jahren behalten hat. Es soll authentisch wirken. Er wird auch den Lastwagen genau wie im Ernstfall auf die Rampe winken.

Fritz Kuster bewegt sich in der Kantine des Basler Theaters so vertraut wie auf dem Zollamt. Kurz vor der Premiere hat der liebenswürdige Perfektionist aber schon ein wenig gemischte Gefühle. Die Aufgabe ist ungewohnt. Wie viele Zöllner spielen schon Theater? Vielleicht sieht der eine oder andere Vereinskollege oder ehemalige Chef die Vorstellung. Das würde ihn freuen.

 

 


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