Von Marlene Halter
27.05.2005 / Aargauer Zeitung
Ein wenig wie im Luzerner Verkehrshaus sieht das Foyer des Theaters Basel für das Projekt «Mnemopark» aus. Grund ist eine riesige Modelleisenbahnanlage mit Schweinwerfern und Schaltpulten dazwischen, Kabelsalat darunter und einem Schild davor: «Bitte nicht berühren». Nur das Huhn im Drahtgehege passt nicht: Es ist echt und hoffnungslos überdimensioniert. Dass es an der zweistündigen Premierenvorstellung kein Ei legte, ist schade, aber ein Zeichen von Natur inmitten einer Kunstlandschaft, die statt der Wirklichkeit eine weitgehend verschwundene Idylle rekonstruiert.
Gebaut wurde sie von vier pensionierten Vereinsmitgliedern der Modulbau-Freunde Basel. Zusammen mit der jungen Schauspielerin Rahel Hubacher führen sie das Publikum durch diese 37 Meter lange Geleisegegend. Von einer Tribüne aus überblicken wir die Anlage und verfolgen auf der Leinwand dahinter den Film, der live von einer am Zug montierten Minikamera aufgenommen wird. Die Fahrt geht über Brücken, durch Tunnels, vorbei an Kuhweiden und Wohnhäusern und macht dazwischen Halt bei Stationen aus dem Leben der fünf Akteure: Erinnerungen an die Rekrutenschule, das Berufsleben oder die Flucht aus der DDR wurden im Modell materialisiert und werden uns nach und nach erzählt. Beim Miniatur-Geburtshaus von Rahel Hubacher angekommen, erzählt die Bauerntochter beispielsweise von den Handgriffen, die sie einst gelernt hatte, aber heute nur noch darstellen kann. Auf der Videoeinspielung dahinter berichtet ihr Vater auf dem echten Hof über die Umstellung von der Milchwirtschaft zur Bagger-Vermietung. Und immer wieder werden genau recherchierte Zahlen und Fakten zur serbelnden Schweizer Landwirtschaft vorgetragen.
Echt unprofessionell
Aber natürlich ist es nicht der Informationsgehalt, der «Mnemopark» memorabel macht. Auch will Stefan Kaegi, der das Projekt konzipiert und in Szene gesetzt hat, nicht durch pseudo-dilettantisch eingesetzte Wackel-Videobilder einem ästhetischen Trend huldigen. Vielmehr interessiert sich der 32-jährige gebürtige Solothurner, der sich mit dem Regiekollektiv «Rimini-Protokoll» besonders in Deutschland einen Namen gemacht hat, für die vermeintliche Grenze zwischen Kunst und Leben. Wenn in «Mnemopark» also jemand den Faden verliert oder der Zug entgleist, ist es mit fast hundertprozentiger Sicherheit (einen Restzweifel gibts zweifellos) nicht gespielt.
Amüsiert staunt man, wie offen, verspielt und mit wohltuend humorvoller Distanz die vier Pensionäre ihr Hobby vorführen und aus ihrem Leben berichten. Abgesehen von einigen Längen ist dieses Bahn-Stationendrama eine höchst vergnügliche Begegnung mit vier ganz normal verrückten Modelleisenbahnern und einer aussergewöhnlich «natürlichen» Schauspielerin mit echt schweizerischer Verwurzelung.