Brisante Berichte: Rimini-Protokoll mit

Theater

Von Reinhard Wengierek

29.10.2005 / Berliner Morgenpost

Fetzen des Realen ganz direkt - also eins zu eins - von Beteiligten, also keinen Profi-Künstlern, auf die Bühne zu bringen und dort gegen- oder miteinander in Beziehung zu setzen (das inszenatorische Moment der Veranstaltung), dies tut die freie Theatergruppe namens Rimini-Protokoll. Ihre stets von aufwendigen Recherchen gestützte Arbeit hat also weniger mit Theater als mit Journalismus und Dokumentation zu tun. Letztlich sah man Rimini-Recherchen zu Themen wie Parlamentsarbeit oder Bestattungswesen. Jetzt, im Schiller-Jahr, gibt es als Koproduktion der Nationaltheater Mannheim und Weimar (gezeigt im HAU 2) ein neues "Protokoll" zum Thema "Wallenstein".

Um Mißverständnisse auszuschließen: Es geht nicht um den Text des Dreiteilers. Vielmehr geben gewisse Stichworte wie "Gehorsam", "Loyalität", "Sachzwänge" diverse allgemeine Konfliktfelder vor, und die beiden Rimini-Mitglieder Helgard Haug und Daniel Wetzel suchten sich dazu das konkret adäquate Material aus der Gegenwart. Man will demonstrieren: Wieviel Schiller steckt in unserm Alltag.

Doch das ist nicht das Interessante der Zweistunden-Performance. Spannend und voller politischer wie moralischer Brisanz, aber auch menschlicher Tragik sind die ganz für sich stehenden und von jeweils direkt Betroffenen vorgetragenen anekdotischen Erlebnisberichte. Da reportiert ein CDU-Politiker seinen Wahlkampf um das Amt des Mannheimer Oberbürgermeisters. Oder ein Weimarer Polizist erzählt, wie er in der DDR politisch kriminalisiert wurde, aber nach 1990 aufstieg zum Polizeichef seiner Heimatstadt. Und ein Bundeswehr-Offiziersanwärter sowie ein amerikanischer Vietnam-Veteran illustrieren ihre fragwürdigen Einsätze.


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