Basteln für eine heile Welt

Er ist jung und liebt die Menschen. Wenn der Schweizer Regisseur Stefan Kaegi sie auf die Bühne bringt, dann kommt das schräg raus. Jetzt lässt er Modellbaufreunde agieren.

Von Isabell Theuwsen

24.05.2005 / Schweizer Illustrierte

Er spürt Menschen auf. Zum Beispiel die vier älteren Vereinsmitglieder der Modulbau-Freunde Basel. Seit dreissig Jahren basteln sie heftig. Nun steht ihre heile Welt im Modelleisenbahnformat im Foyer des Theaters Basel. Regisseur Stefan Kaegi, 32, liebt alte Menschen. Der gebürtige Solothurner feiert vor allem unter dem Label «Rimini Protokoll» (mit Partnern Wetzel/Haug) in Deutschland grosse Erfolge. 2004 wurde «Dead-Line» ans Berliner Theatertreffen eingeladen. Momentan läuft im Berliner Hebbel am Ufer/HAU 2 «Call Cutta».

 

Jetzt inszeniert Kaegi erstmals am Theater Basel. «Mich interessiert mehr, was einer ist, als was einer kann», sagt der hochaufgeschossene Regisseur im ultramodischen Outfit. Die Pensionäre Max Kurrus, Hermann Löhle, René Mühlethaler und Heidy Louise Ludewig sind stolz auf das, was sie gebastelt haben. Gleise haben sie verlegt. Saftige Auen, schwindelnde Höhen, einen Fleischberg und einen Milchsee errichtet, ihre Wohnhäuser zusammengeleimt, einen Waffenplatz modelliert, viele Bahnhöfe gebaut und einen Bergsturz inszeniert. Das unübliche Quartett mit Frau besteht auf Idylle. In ihrer Welt wird fröhlich gelebt.

 

Ein Exzess an Biederkeit. Max Kurrus wollte keine Toten beim Bergsturz. In ihrer Welt dürfen sie ein bisschen Herrgott sein. «Man hats doch gern ein bisschen überschaubar.» Kaegi könnte ihr Enkel sein. Auch er lebt in einer anderen Welt, hat keinen Wohnsitz, ist seit Jahren mit einem Koffer unterwegs nach Berlin, Wien, Brüssel oder Südamerika. Immer auf der Suche nach dem Allzumenschlichen. Munter erzählen seine Basler Laiendarsteller an einer Probe aus ihrem Leben. Der Clou der Inszenierung ist die in der Loki versteckte Minikamera, die irreale Bilder auf die Videowand pro-jiziert. Der Zuschauer geht auf Kopfhöhe, erlebt die Schweiz aus der Perspektive des rollenden Zuges. Gemeinsam mit der Handkamera öffnen sich Fenster auf eine gestaltete Schweiz, in der nichts mehr dem Zufall der Natur überlassen wird: Hochsubventionierte Bauern werden zu Bühnenbildnern der Landschaft, in der Scheune stehen Leasing-Bagger, aus falschen Chalets fahren Geschütze auf. Im Torokatalog wird der passende Samen ausgesucht, und im Berner Oberland werden Bollywood-Filme gedreht. Aber die «passionierten Pensionisten» (O-Ton Kaegi) werkeln mit Draht, Moos, Schaumstoff, Styropor und Farbe.

 

Heidy, die gebürtige Leipzigerin, die in der DDR als Schlosserin Brücken baute, entwirft am liebsten literarische Landschaften, Erich Kästners «35. Mai» zum Beispiel. Es gibt noch viel zu tun. Die Modulbau-Freunde Basel werden nach der Premiere wohl weniger Nachwuchsprobleme haben.


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