Ausflug in die Welt der Paranoia

Verschwörungstheorien in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK)

Von Kia Vahland

02.02.2004 / ART

Verschwörungstheoretikern reiht meistens eine kleine Beobachtung, um alles in Frage zu stellen. Die Datteln hinter Saddam Husseins Erdloch – ein Beweis für eine Aufzeichnung der Festnahme bereits im Sommer? Schon scheint festzustehen, dass nichts in dieser Welt zu glauben ist.
Eine Ausstellung in Berlin führt nun den Besucher mit allen Sinnen in die Welt der Paranoia, ohne sich mit ihr gemein zu machen. So legt es die Installationskünstlerin Helgard Haug darauf an, einen in die Enge zu treiben, nämlich in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Mauern. Dort raunen wie zu DDR-Zeiten versteckte Radiobotschaften an Geheimagenten. Wer jetzt versucht, alles zu entschlüsseln, hat schon verloren. Mehr noch als eine Fähigkeit ist es eben ein Fluch, überall einen Hintersinn zu sehen.
Besonders der Kalte Krieg wird in der Schau zum Zeitalter des großen Unbehagens. Alice Creischer porträtiert in einer Kurzgeschichte einen hohen Militär aus den achtziger Jahren. Damals hätte er schnell als mutmaßlicher Kriegstreiber gegolten – bei Creischer dagegen erscheint er selbst als Opfer des Verfolgungswahns: Verschwörer sind immer nur die anderen. So subtil argumentierten leider nicht alle Arbeiten. Manches erschöpft sich im Protest der siebziger Jahre wie Öyvind Fahlströms comicartige Landkarten der Kapitalströme.
Brisanter und ästhetisch eindringlicher ist die Weiterentwicklung dieser Karten bei Mark Lombardi. Der Amerikaner fügt Informationen über große Finanzskandale zu filigranen übergroßen Finanzskandalen zu filigranen Übersichtstafeln zusammen – und wer weiß, vielleicht trifft er ja einen Kern. Jedenfalls soll sich das National Security Archive nach dem Selbstmord des Künstlers 2000 für seinen Zettelkasten interessiert haben. Mehr solcher aktuellen Werke hätten der anregenden Ausstellung gut getan. Es fehlt leider ein Bezug zu den Verschwörungstheorien der Internetzeit, zum 11. September und zum Irakkrieg. Statt so im Politischen zu bleiben, vermutet die Schau zum Schluss noch bei einer Pink-Floyd-Platte den Komplott. Da fehlt dann doch die ironische Distanz.


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