ANGRIFFSTATEGIEN

Von Esther Boldt

09.02.2002 / Journal Frankfurt, No. 3, 2002, S.48

Das Regietrio Haug/Kaegi/Wetzel hat keine Lust auf Profi-Schauspieler. Im Künstlerhaus Mousonturm setzen sie stattdessen auf Readymade-Darsteller.
Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel erforschen das Geschoss – beim Knabenschießen in Zürich, bei der Waffenmesse in Luzern, und nicht zuletzt im UG, der Studiobühne des Luzerner Theaters. Das UG ist ein ehemaliger Schießstand, hier entstand „Shooting Bourbaki“. Als Grundlage ihrer Arbeiten dienen den Theatermachern Fragmente des Realen. Sie greifen Personen und Themen auf, die ihnen in der Umgebung der Theater begegnen. Ihrer Recherche ist journalistisch, doch auf der Bühne darf gelogen werden: Das Dokument wird stets der Idee untergeordnet, der Funktion, die es im Stück zu erfüllen hat. In der Schweiz fiel ihnen die Präsenz der Waffen auf; praktisch jeder Schweizer sei Reservist und habe ein Sturmgewehr im Keller, erzählt Daniel Wetzel, in direkter Nachbarschaft des UG befinde sich ein Schießstand des Polizei und das Waffengeschäft Zimmermann. Wie in ihrer letzten Mousonturm-Produktion „Kreuzworträtsel Boxenstopp“ arbeiteten Haug/Kaegi/Wetzel nicht mit professionellen Schauspielern, sondern mit Readymade-Darstellern. Das ist Teil ihres Konzepts: Sie bezeichnen ihre Darsteller als Spezialisten. Laien werden in dem inszenierten Raum der Bühne positioniert, das Resultat ist ein ständiger Grenzgang zwischen Realität und Fiktion, Dokument und Erzählung. Inszeniertes kann Authentischem werden und umgekehrt. So stellten sie in „Kreuzworträtsel Boxenstopp“ vier rund 80-jährige Damen aus dem Altenstift auf die Bühne und versahen sie mit der Vergangenheit von Formel-1-Pilotinnen.
Haug/Kaegi/Wetzel inszenierten den Alltag im Altersheim neben Rennbahndokumenten und –fiktionen. Hightech und Geschwindigkeitsrausch trafen auf Treppenlift und Sitzgymnastik.
In Luzern begegneten Haug/Kaegi/Wetzel verschiedenen Jungs auf der Straße, in der Schule und im Sängerverein. Mit fünf von ihnen begannen sie die Recherche über deren persönliche Angriffs- und Verteidigungsstrategien.
Was gilt es aus der Sicht von Schweizer Buben zu verteidigen? Für welche Sache wird gekämpft? Die fünf bauen sich eigene Waffen: Multimediapanzerfäuste, Gehörschütze, E-Gitarren. Mit den Mitteln der Mimikry schleichen sie sich in die Welt der Erwachsenen und ihrer Filme ein, lernen Sprachen und Zeichen, zielen und schießen.


Projekte

Shooting Bourbaki