Afrikanische Geschäfte

Von Patrick Wildermann

29.03.2012 / Der Tagesspiegel

Die Dokumentartheater-Spezialisten von Rimini-Protokoll präsentieren die „Lagos Business Angels“ im HAU 1. Zuvor haben sie sich in Nigeria unter die Geschäftemacher und Glücksritter begeben.

Der Unternehmer Uwe Hassenkamp braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um die Zukunft vorhersagen zu können. Die nigerianische Zentralbank wird seiner Firma die Lizenz erteilen, ein Mobile Payment System in dem westafrikanischen Staat einzuführen. Hassenkamp weiß das, weil an die Prüfer des Verfahrens gewisse Summen geflossen sind. „Um über das normale Maß hinaus informiert zu sein“, wie er sagt. Business as usual in Nigeria.

Das mobile Zahlsystem würde vieles ermöglichen, zum Beispiel Überweisungen aus der Stadt in entlegene Dörfer. Eine willkommene Dienstleistung in einem Land, in dem jeder zwei bis drei Handys besitzt, aber nur 20 Prozent über ein Bankkonto verfügen.

Das ist aber noch nicht alles, was Hassenkamp plant. Unter anderem will er eine Art TÜV nach Lagos bringen. Derzeit brausen in der Stadt mit geschätzten 20 Millionen Einwohnern jede Menge verkehrsgefährdende Vehikel über die Straßen. Noch so eine Marktlücke. Der Berliner „Project-Consultant“ hat Visitenkarten, auf denen sich ein Schwarzer und ein Weißer die Hand reichen. Und er verfährt nach der Devise: „Lege niemals all deine Eier nur in einen Korb.“

Die Dokumentartheater-Spezialisten der Gruppe Rimini Protokoll haben sich in Nigeria unter die Geschäftemacher und Glücksritter begeben. Die tummeln sich vor allem in Lagos, der Boomtown des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas, das den sechsten Platz unter den Ölfördernationen der Welt belegt und an defizitärer Infrastruktur, ethnischen wie religiösen Spannungen krankt. Gleichwohl ist es ein Investorenparadies mit wachsendem Bedarf an Hotels, Autos und sonstigen Konsumgütern für die aufstrebende Mittelschicht.

„Lagos Business Angels“ haben Rimini Protokoll ihre Inszenierung betitelt. Es ist ein Performance-Parcours mit zehn Protagonisten, der durch das HAU 1 führt und den Besucher im Zehn-Minuten-Takt mit erstaunlichen Geschäftsmodellen und Lebensgeschichten konfrontiert.

Frank Okoh wird auch „The German Machine“ genannt. Er führt eine Import-Export-Firma namens „Edi Investment Limited“, die ausgeschlachtete Karossen und gebrauchte Autoersatzteile von Deutschland nach Nigeria verschifft. Dort verkauft der smarte Händler mit Entertainer-Habitus seine Waren direkt aus dem Container, und man glaubt kaum, wie viel Schrott in so eine Metallkiste passt. Silke Hagen-Jurkowitsch, „The Lace Lady“, ist dagegen über den Umweg Österreich mit Nigeria in Kontakt. Die Ideenentwicklerin stammt aus der Textilhochburg Lustenau, wo gut betuchte Afrikaner schon seit den sechziger Jahren hochwertige Stoffe kaufen, fünf Yard heute zu 900 Euro. Ein lukratives Geschäft, denn meist wird en gros geordert, schließlich tragen Männer und Frauen etwa bei Hochzeitsfeiern Einheitslook, bloß in verschiedenen Schnitten.

Das Spezialgebiet von Kester Peters sind tropische Zierfische. Die verkauft der Mann, der als eines von zehn Kindern im Slum aufgewachsen ist, vor allem nach Deutschland. Daneben macht er mit seiner Trading Company aber auch in Öl, irgendwie. In Nigeria existieren keine Raffinerien, und wenn es gut läuft, wird Kester Peters das schwarze Gold in Benzin und somit bare Münze verwandeln. Vielleicht sind das aber auch nur Fantastereien.

„Lagos Business Angels“ verschafft einem durchweg faszinierende Begegnungen mit emsigen Networkern, die einem ihre Visitenkarte in die Hand drücken und gerne in Kontakt bleiben wollen. Klar bleiben ihre Ausführungen oft undurchsichtig. Das ist Teil des Konzepts. Genau wie der Verzicht darauf, die Biografien in einen Kontext zu stellen. Rimini Protokoll halten keine Volkshochschulkurse ab. Und sie wollen auch kein Afrikabild vermitteln. Die Performance wirft einen ins Gewühl eines unübersichtlichen Marktes, auf dem man den Schaumschläger nicht vom seriösen Partner unterscheiden kann und jeder Verkäufer seiner selbst ist. Klar bleibt die europäische Sicht auf das Land klischeeverdunkelt. Etwa, wenn die Deutsche Frieda Springer-Beck – die mal Betrugsopfer in Lagos war und heute in der „Economic and Financial Crimes Commission“ arbeitet – erklärt, nur fünf Prozent der Nigerianer seien Betrüger.

Interessant ist die Perspektivverschiebung, die sich ergibt. Wo man hierzulande gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche wettern würde, begegnet man dem findigen Businessstreben der Nigerianer weit unkritischer. Die sind mit ein paar guten Geschäftsideen nach Berlin gekommen. Das HAU zum Bespiel stünde doch am Sonntagmorgen leer. Da könnte man es doch prima vermieten.


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