Der Schritt zurück

mit den Autoren des Hörspiels "Undo" Helgard Haug und Daniel Wetzel sprach Lutz Volke

Von Lutz Volke

15.07.2002 / Radiokultur Juli 2002

Zuerst möchte ich mit Ihnen klären, was der „Undo“-Effekt ist. Nicht jeder arbeitet mit Pro Tools, nicht jeder weiß, was „Undo“ bedeutet. Wenn man einen PC mit deutschen Bezeichnungen hat, dann heißt das „Rückgängig“. Wie ist es bei „Undo“?

HH: Er ist auf dem Computer dargestellt über einen Button, ein Icon mit einem Pfeil, der im Kreis nach rückwärts führt. D.h., dass ein letzter Arbeitsschritt rückgängig gemacht werden kann. Man kann also Befehle zurücknehmen.

Nun ist es kein Hörspiel über PC’s sondern über Menschen in Verbindung mit der Technik. Also: „Undo“ heißt, man könnte eventuell mit Hilfe der Technik Befehle oder Vorgänge rückgängig machen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben.

DW: Es ist je eigentlich so eine Zeitmaschinen-Fragestellung. Ist es möglich, sich auf der Zeitschiene anders zu bewegen als nur linear nach vorn? Und für uns war der Undo-Befehl aus Computerprogrammen der Anlass zu fragen, inwieweit verändert eigentlich die tägliche Praxis solcher Befehle unser Verhältnis zu dem, was wir erleben in einer Umwelt, die nicht aus Computern besteht. Transformiert also die Arbeit mit Maschinen oder mit Programmen unser Bewusstsein auch gegenüber Dingen außerhalb dieser Programme? Und unser Eindruck ist, dass das der Fall ist. Und mit dieser Fragestellung sind wir an das Hörspiel herangegangen.

Das klingt erst einmal ganz realistisch. Bei Ihnen hat es aber auch einen Zug von Science fiction.

HH: Die Protagonistin in unserem Hörspiel, Ilia, ist ausgestattet mit dem bdc-chip, einem brain-data-control-chip, ein medizinisches Implantat, das bestimmte Werte aus dem Körper abnimmt und Signale gibt, falls der Körper sich außerhalb der Normwerte befindet. Leider produziert im Hörspiel dieser Chip aber auch den Fehler „Undo“, springt Handlungsschritte zurück. Und sie versucht, ausgestattet mit einer Menge technischer Geräte, dem Fehler auf die Spur zu kommen, diesen und damit ihr Leben mit dem Chip zu dokumentieren.

Nun ist es ein Chip, der ins Gehirn eingepflanzt wird. Und es gibt ja wirklich auch schon medizinische Versuche, Chips an verschiedenen Körperstellen einzupflanzen, um Körperfunktionen, die ausgefallen sind, zu ersetzen. Mit dem Gehirn ist das natürlich eine ganz gefährliche Sache. Und ich glaube, Sie sehen, wenn es in der Wirtschaft so weit kommen sollte, eine derartige Operation vorzunehmen, auch eine Gefahr. Stichwort: Manipulation.

DW: Ja, also das Hörspiel behauptet erst einmal, dass es diesen Chip gibt. Und wir haben den Realitätsgehalt dieser Science fiction überprüft, indem unsere Darsteller Passanten gefragt haben, ob sie davon schon mal gehört oder gelesen zu haben. Die allermeisten äußerten sich dann dementsprechend auch skeptisch und markierten eine Grenze. Sie könnten sich unter Umständen vorstellen, bestimmte Körperteile in ihrer Funktion optimieren zu lassen, beispielsweise mit einer Prothese. Aber in dem Moment, wo es um das Hirn geht, um die Interaktion von Maschinen mit dem Gehirn, da sei die Grenze erreicht. Es gab aber auch einige, die erst mal gespannt waren, was für neue Optionen sich dadurch ergäben. Dazu kommt in unserer Science-fiction-story noch dieser Undo-Effekt bzw. Defekt. Findet der nur im Hirn der Person statt, die den Chip trägt, kann das eigentlich nicht unterscheiden. Und diese Frage wird letztlich im Hörspiel auch offen gelassen. Es gibt also keine stabil durchgebaute Science-fiction-story.

Sie reißen mehr oder minder etwas an.

DW: Ja, das Stück lädt ein zum Mitdenken. Und wir hoffen, dass man mit dem Erzähltempo mitkommen kann.



Darin liegt vielleicht eine gewisse Schwierigkeit. Es gibt sehr viele Ebenen. Sie haben auch Live-Aufnahmen hineinmontiert. Aufnahmen mit Wissenschaftlern und Forschern.



HH: Wir haben im Vorfeld sehr viele Leute kontaktiert, von denen wir das Gefühl hatten, dass sie sich auf das Thema „Undo“ gut einlassen können. Die waren alle sehr zugänglich und wir haben das Stück eigentlich parallel zu diesen Gesprächen entwickelt. Wir sind sehr darauf eingegangen, auf welche Fährten uns die Experten gesetzt haben.



Das Stück spielt nicht irgendwo auf den Sternen, sondern es spielt mit möglichen Entwicklungen. Wie stehen Sie selbst so einem Phänomen gegenüber?



HH: Bevor wir angefangen haben, das Hörspiel zu machen, hätte ich das für eine sehr tolle Erfindung gehalten. Es gibt jedenfalls in meinem Leben Punkte, wo ich sagen würde, da möchte ich sehr gern zurückgehen und mich an den Stellen anders verhalten. Aber nachdem wir die Ilia mit diesem Effekt ausgestattet haben und sie in ein solches Dilemma geraten ist, denke ich, dass ich mich gegen einen solchen Chip entscheiden würde. Aber es macht einfach Spaß, mit den Ideen zu spielen.


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