Wie man Nachrichten macht

By THOMAS LINDEN

21.01.2008 / Kölnische Rundschau


DÜSSELDORF. Am Ende gab es viel Applaus vom Premierenpublikum. Auch zuvor schon reagierte man im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels mehr als nur amüsiert - man kannte sich offenbar aus. „Breaking News - Ein Tagesschauspiel“ von Helgard Haug und Daniel Wetzel vom Künstlerkollektiv Rimini Protokoll (zurzeit auch in Köln mit dem Lastwagen-Theater „Cargo Sofia-Köln“ unterwegs), lockte ungewöhnlich viele Fernsehjournalisten und TV-Macher ins Theater.
So sachlich und scheinbar objektiv, wie sich die Nachrichtensendungen des öffentlich rechtlichen Fernsehens gerne präsentieren, spulte sich hier über 140 Minuten die Nachrichtenmaschine ab. Gezählte 17 Monitore befanden sich dazu auf der Bühne, auf ihnen sah man - live - Nachrichten aus aller Welt. Etwa aus Island, wo unablässig über den gerade verstorbenen Bobby Fisher berichtet wurde, oder aus dem Nahen Osten, wo der Sender Al Jazeera Leichen und schreiende Frauen zeigt. Moskau wartet dagegen mit einem endlosen Programm über Wladimir Putin auf. Deutschland zeigt die Empörung über die Schließung des Nokia-Werks in Bochum.
Dazu stellen sich Journalisten vor: die Inderin Sushila Sharma-Haque, der Kurde Djengizkhan Hasso, der Isländer Simon Birgisson, die Übersetzerin Martina Englert, der Dolmetscher Carsten Hinz und der ARD-Korrespondent Hans Hübner. Er berichtet über die schwierige Aufgabe, in Afrika Informationsquellen aufzutun. Die anderen erzählen von den Bedingungen, unter denen in den zahlreichen Diktaturen dieser Welt Nachrichten produziert werden. Zugleich stellt sich die Batterie flimmernder Elektronik als eine News-Börse dar. Der Broker ist Andreas Osterhaus, Redakteur von Agence France Press (AFP), dessen Aufgabe darin besteht, schnell zu entscheiden, welche der eingehenden Nachrichten von Interesse ist und weitergeleitet wird. Neben ihm sitzt Marion Mahnecke, eine Cutterin, die ihrerseits blitzschnell die Bildströme schneidet.
Sie alle „machen“ Nachrichten, und das realistische Spektakel auf der Bühne hält einen lange gefangen. So lange, bis man verstanden hat, wie es funktioniert - dann wird es zum hektischen Automatismus, der aber das produziert, was uns jeden Abend in der „Tagesschau“ serviert wird. „Wichtig“ ist, was Quote macht. Wobei Walter van Rossum, Journalist und Autor, auf der Bühne darauf hinweist, dass für die Quote nur Strom gemessen wird. Ob auch jemand vor den eingeschalteten TV-Geräten sitzt, ist eine andere Frage: „Niemand würde behaupten, dass die Bild-Zeitung die beste Zeitung sei, weil sie die höchste Auflage hat“, so van Rossum listig.
Seine Bemerkungen sind das Salz in der Nachrichtensuppe. Denn ohne die Analyse entpuppt sich das Informationsgeschäft schnell als stereotype Angelegenheit, hat man denn einmal die Zufälle und Manipulationen verdaut, die hier im Spiel sind.
„Breaking News“ hat mit normalem Theater nichts zu tun. Trotzdem ist das Theater genau der Raum für das amüsante Erlebnis, die Innereien des Fernsehgeschäfts so gründlich und so intelligent nach außen gestülpt zu sehen.
Nächste Vorstellungen 19. und 20. April, Karten-Tel. 0221 / 36 99 11.


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