Wertzuwachs

„Karl Marx: Das Kapital“ in Düsseldorf

By Andreas Wilink

01.12.2006 / K. West - das Feuilleton für NRW

„Wie wird man Millionär?“ Die Frage erhält während zwei Stunden Antwort: Nicht so sehr durch einen Quizkandidaten, der es niemals auch nur in irgendeine Vorauswahl geschafft hat; nicht durch den braven Gewerkschaftler, den die Spielsucht vielmehr in den Ruin trieb. Ebenso wenig durch einen gewendeten „roten“ Funktionär und Anarcho-Intellektuellen, den Erfahrungen mit dem Maoismus vor Ort in Peking eine Ideologie-Kehre machen und zum Unternehmensberater (inklusive Konkurs) werden ließen. Die Frage nach der wunderbaren Geldvermehrung und „Maßlosigkeit der Schatzbildung“ (Karl Marx) beantwortet Ulf Mailänder, der sich als Ghostwriter des Anlageberaters, Finanzjongleurs und Millionenbetrügers Harksen vorstellt. Millionär wird man also durch Manipulation. Ehrlich währt halt nicht am längsten, was schon Urvater Marx wusste.

Seine Bücher – die blaue Volksausgabe neben weiteren kapitalen Bänden (die Editionsgeschichte tut ein berufener Mund kund) – füllen die Bühnen-Schrankwand, die im Kleinen Düsseldorfer Schauspielhaus zudem den acht Selbst-darstellern Obdach und Unterschlupf bietet. Die sieben Herren und eine Dame wurden gecastet, weil sie so oder so in einen komplexeren, kuriosen, konkreten oder tangentiellen Verhältnis zu Kapitalismus und Kommunismus stehen. Dies ist das Prinzip von „Rimini Protokoll“. Mit der Bühnentauglichkeit der Darsteller und Originalität der Fallbeispiele stehen und fallen die nach ausgiebiger Recherche entstehenden Collagen von Helgard Haug und Daniel Wetzel. „Karl Marx: Das Kapital, Erster Band“ durchblättert entlang der Jahrestage der Protagonisten – Biografien, Beschäftigungsverhältnisse, soziale Engagements, ist so amüsant wie gewitzt, sympathisch und lebenswarm, dass man fast die Konterbande vergisst, die sich mit eingeschmuggelt. Sie teilt sich plakativ in der gereckten Faust eines Jung-Genossen mit und in der verschmitzten Vortragskunst des Marx-Herausgebers Thomas Kuczynski, der „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft“ (Marx) enthüllt. So gewinnt die praktische Anwendung der Theorie von Gebrauchswert und Tauschwert einiges an Mehrwert.


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Karl Marx: Capital, Volume One