Versachlichung des Schreckens

Die Ausstellung »Friedensschauplätze« in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst

By Tom Mustroph

17.05.2010 / Neues Deutschland

Kriegsberichterstattung unterliegt selbst im günstigsten Falle einer barbarischen Logik. Denn auch die Beiträge, die gegen den Krieg werben, greifen auf Bilder des Schreckens zurück und leisten so ihren Anteil an einer medialen Abhärtung der Öffentlichkeit. Die Ausstellung »Friedensschauplätze – Theater of Peace« in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst in der Oranienstraße versucht, dieser Logik zu entkommen. Statt über den Krieg zu reden, erzählt sie vom Frieden. Das bedeutet, sie stellt einzelne Friedensinitiativen, Aktionsgruppen und bewährte Protestpraktiken vor.
Ein Ansatz dieser Gruppen ist die Wiederaneignung des Handwerks der Kartografie. Je länger der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan dauert, desto geübter werden Fernsehzuschauer im Erkennen kartografierter Höhenlinien, Flussläufe und Verbindungswege. Die Kompetenz ihrer Großeltern und Urgroßeltern, die erst haarklein über die Vorstöße in den Westen und Osten aufgeklärt wurden, denen der nationalsozialistische Medienapparat jedoch spätestens ab Stalingrad dieses Wissen gerne wieder entzogen hätte, hat das aktuelle Publikum zwar noch nicht erreicht. Aber es ist auf dem besten Wege, dieser Technologie der Versachlichung des Schreckens zu erliegen.
Umso interessanter sind einige Gegenstrategien. Die Architekten Sabine Horlitz und Oliver Clemens dokumentieren etwa das Schrumpfen des palästinensischen Dorfes Ayn Hawd in der Nähe von Haifa. Das Samidoun Media Team aus Libanon und Palästina hat die Daten des israelischen Angriffs auf den Libanon im Sommer 2006 so aufbereitet, dass aus der Größe und Art der Symbole die Stärke der Attacken ablesbar ist. Es ist eindeutig eine Konzentration der Angriffe auf die Städte und damit die Zivilbevölkerung zu konstatieren.
Das ebenfalls in Libanon beheimatete Projekt »Beirut – Mapping Security« fügt den Angaben über militärische Konfrontationen während des Bürgerkriegs Informationen über neue Sicherheitsmaßnahmen für Einkaufszentren, Banken und Privatresidenzen hinzu. Diese Daten illustrieren den Prozess der Abschaffung des öffentlichen Raumes zugunsten eines technologisch kontrollierten und hierarchisierten Bereichs.
Sinnliches Zentrum der Ausstellung ist eine hölzerne Tribüne mit Sitzpolstern in genau jener hellblauen Färbung, die zum Symbol der UN geworden ist. In diesem provisorischen UN-Setting wird per Videoeinspielung die Performance »Sicherheitskonferenz« der Berliner Gruppe »Rimini Protokoll« gezeigt. Sie liefert interessante Einblicke in die schon zum Schlagwort geronnene »Asymmetrie« heutiger Kriege. Regisseur Stefan Kaegi stellte im vergangenen Jahr in München zusammen mit Experten und Publikum die alljährliche internationale Sicherheitskonferenz nach. Der Politologe Konstantinos Tsetsos verteilte dabei an die Zuschauer Pappkärtchen mit Ländernamen und instruierte sie über ihre Rolle im globalen Sicherheitsgeschäft. Der Informatiker Klaus Wintermayr etwa entwarf das Szenario eines ferngesteuerten Krieges, in dem die Soldaten tagsüber die Drohnen von der Kaserne aus lenken und abends brav nach Hause gehen.
Des weiteren zeigt die Ausstellung Videos von Antikriegsdemonstrationen in Palästina und Afghanistan sowie Friedensgraffiti des Künstlers Solo 7 in Nairobi. Spektakulär ist das Projekt »Seerosen für Afrika« des durch zahlreiche politische Aktionen in Deutschland bekannt gewordenen »Zentrums für politische Schönheit« (ZPS). Das ZPS möchte eine Firma beauftragen, schwimmende Rettungsinseln mit vier mal vier Metern Grundfläche, Solarenergieversorgung und Lebensmitteln herzustellen, die noch in diesem Sommer im Mittelmeer entlang der Flüchtlingsrouten von Afrika nach Europa installiert werden sollen. Die Gruppe weist darauf hin, dass seit 1995 bereits mehr Menschen an der europäischen Außengrenze im Mittelmeer ihr Leben verloren haben als zur Zeit des Kalten Krieges an der Ost-West-Grenze. Ebenfalls präsent sind Initiativen gegen Truppenübungsplätze in Deutschland sowie das Netzwerk Friedenssteuer. Letzteres fordert eine Zivilsteuergesetzgebung, die erlauben soll, die Einkommens- und Verbrauchersteuern, die von Kriegsgegnern eingezogen werden, nicht in den Militärhaushalt einfließen zu lassen.
Die Ausstellung »Friedensschauplätze« bildet einen interessanten Überblick über Möglichkeiten zur Bekämpfung von Kriegen. Alle präsentierten Projekte sind zudem im Katalog dokumentiert. Während der Ausstellung vertiefen ein Film-, Vortrags- und Diskussionsprogramm einzelne Aspekte.