Heuschrecken-Theater

By Charles Linsmayer

21.09.2009 / Der Bund

Während «Muezzin», die Performance mit den drei Kairoer Gebetsrufern, noch auf Tournee ist, wird im Schiffbau Zürich seit Samstag Stefan Kaegis neuste Reality-Show gezeigt, die der 1972 in Solothurn geborene Promotor von «Rimini Protokoll» diesmal allein verantwortet. «Heuschrecken» heisst die Produktion, in deren Mittelpunkt 10000 afrikanische Wanderheuschrecken stehen, die zwischen den Zuschauerreihen in einem riesigen gläsernen Terrarium hin und her wandern, sich paaren und Gras fressen. Im Grunde aber sind die Insekten, die immer wieder gross auf die Wand projiziert werden, nur Anschauungsmaterial für die vom Cellisten Bo Wiget umrahmten Statements der beteiligten Fachleute und Promotoren. 


So umreisst die Schauspielerin Lara Körte, die den Abend in Kapitel unterteilt, den Gesamtzusammenhang des Themas bis zur biblischen Heuschreckenplage, während die Toggenburger Physiklehrerin Barbara Burtscher in stilisiertem Schweizer Dialekt allerlei Vergleiche anstellt und zur Beobachtung der Insekten in einem NASA-Weltraum-Anzug durch das Terrarium stapft. Dr. Jörg Samietz wiederum gibt wissenschaftliche Erklärungen ab und geht barfuss durch die Insektenwelt. 


Am persönlichsten jedoch ist, was der in Somalia geborene, in Bern zum Chemiker ausgebildete Zakaria Farah über Begegnungen mit Heuschrecken und Kamelen und über jene Lebensstationen erzählt, die im Terrarium mit Schrifttafeln markiert sind. Man erfährt viel über die gefrässigen, anpassungsfähigen, in vielem den menschlichen Verhaltensweisen gar nicht unähnlichen Lebewesen, die sich da zu Tausenden tummeln, aber von dem Theater, das um sie gemacht wird, ganz unbeeindruckt bleiben. Nicht einmal der Applaus, mit dem sie und die ungewöhnliche, perfekt aufgezogene Installation bedacht werden, reisst sie aus ihrer Wiederkäuerlethargie, und vielleicht würde es sie nicht einmal gross aufregen, wenn sie wüssten, dass dem Publikum am Ende Lutscher mit eingelassenen toten Artgenossen mitgegeben werden.

Projects

Heuschrecken (Locusts)