Gedanken-Theater

"Brunswick Airport" auf Braunschweigs Flughafen

By Andreas Berger

07.06.2004 / Braunschweiger Zeitung

Der Braunschweiger Flughafen als harmloser Theaterort, an dem man in verlassenen Zimmern und den Diensträumen des kleinen Flugbetriebs zum Gedankenflug ansetzt? Die Gruppe Rimini-Protokoll führt die Besucher mittels Fotos von Hörstation zu Hörstation und überlässt es ihrer Phantasie, wie sie sich den Tower-Chef mit dem Befehlston, die vom Fluglärm geplagte alte Waggumerin, den vogelflugbegeisterten Zoologen vorstellen. Und wie sie handeln mögen an ihren Einsatzorten rund um "Brunswick Airport".

Doch dann kam die Bürgerinitiative gegen Fluglärm und Flughafenausbau auf den Platz und erdete das intellektuelle Unterfangen der Theatermacher mit Transparenten und Flugblättern. So wurde das bloße Spiel mit der Theaterform plötzlich doch noch politisch. Und Daniel Wetzel von Rimini-Protokoll ist auch ganz erbaut davon.

"Unser Thema war eben nicht der Flughafenausbau. Wir wollten da auch gar nicht Stellung beziehen. Wenn Wernher Baumbach von der Flughafengesellschaft auf Position 6 einen Ausbau auf vier Kilometer für gut hält, real dann 2600 Meter beantragt hat, kann man erschrecken oder nicht. Auf Position 7 wird dann auch der Fluglärm erwähnt. Wir finden aber gut, dass sich die Diskussion nun entzündet und die Menschen sich näher damit beschäftigen", erklärt er am Telefon.

Man kann immer so oder so bei diesem Rimini-Protokoll-Projekt. Man kann sich an den Raketenträumen der TU-Wissenschaftler erfreuen oder am Singen der Vögel, das der Flugzeugfreund hier lieber hat als einsam im Wald. Man kann mit dem Zoologen bewundern, dass Stare, anders als Flugzeuge, in dichten Schwärmen fliegen können, oder erschrecken, dass ein Gänseflug schon mal unausweichlich ins Cockpit klatscht. Und hoffen, dass der Feuerwehrmann dann rechtzeitig die Verletzten birgt, die ihm bislang nur als geschminkte Übungs-Darsteller begegneten.

Man kann sich zu all dem authentischen Material ein richtiges Drama vorstellen und bedauern, dass es nicht wirklich gespielt wird. Oder, was Wetzel lieber hätte, sich einfach freuen an dieser grenzenlosen Virtualität. Jeder sieht und erlebt etwas anderes an diesem Ort.

Und als mein eigener Regisseur kann ich, zwischen Fliegenleichen und Spinnennetzen den Kopf aus der Dachluke steckend, die lästigen Kopfhörer auch einfach absetzen und das reale Abendläuten der Waggumer Kirche hören. Und mich im milden Abendlicht der Stimmung von kindlicher Geborgenheit hingeben, die dieser klanggewordene Übergang vom Sonnabend zum Sonntag für mich wachruft. Eigentlich brauche ich gar keinen Flughafen. Und auch kein Theater. Nur gute Geschichten, und die denke ich mir jetzt immer selber aus.


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