Auf der Suche nach Identität

„Black Tie“ von Rimini Protokoll beim SETT-Festival in der Stuttgarter Tri-Bühne

By Dietholf Zerweck

25.11.2010 / Eßlinger Zeitung

Stuttgart - Als „K 77-2178“ wird sie nach ihrer Geburt in Südkorea registriert, als Miriam Dorothee Stein wächst Park Yung Min bei ihren Adoptiveltern in Osnabrück auf. Über das Geschäft mit Säuglingen aus den Waisenhäusern Asiens, Afrikas und Südamerikas und die Probleme ihrer Identität in einer fremden Gesellschaft und Kultur hat das Theaterkollektiv Rimini Protokoll ein nachdenklich machendes Stück produziert, das nun auch beim SETT-Theaterfestival in der Stuttgarter Tri-Bühne zu sehen war.

Wie bei Rimini Protokoll üblich, ist „Black Tie“ die Dokumentation eines existenziellen Sachverhalts mit theatralischen Mitteln. Nach umfangreicher Recherche und anschließendem Casting wurde Miriam Stein als die distanzierte Darstellerin ihrer eigenen Biografie inszeniert. Unterfüttert mit Fakten aus der weltweiten Wirklichkeit des Adoptionsgeschäfts, brachten Helgard Haug und Daniel Wetzel das 2008 in Berlin uraufgeführte Stück als Mischung aus fiktivem Vortrag und Solo-Performance auf die Bühne. Ein Musiker namens Ludwig steuert Gitarrenriffs und Computer-Einblendungen bei, in einigen Passagen tritt die Koreanerin Hye-Jin Choi als Partnerin von Miriam Stein auf: Sie verkörpert die junge Frau, welche Stein vielleicht hätte sein können, wäre sie in ihrem Geburtsland aufgewachsen.

Zum diesjährigen Motto des SETT-Festivals der Tri-Bühne - „Symphonie des Geldes“ - passt das Thema: Nicht nur kommt zur Sprache, wie Länder wie Südkorea mit Hunderttausenden staatlich genehmigter Adoptionen am Babyhandel kräftig mitverdienen, sondern Stein rechnet auch vor, welche „Wertschöpfung“ sie als „zwischenstaatliches Belegexemplar“ mit ihren 33 Jahren erreicht hat.

Doch der Fokus des Dokumentarstücks liegt auf dem individuellen Schicksal von Miriam Yung Min Stein, wie sich die ihr Leben protokollierende Journalistin heute nennt. Irgendwann erfährt sie von ihren Adoptiveltern, sie sei in Seoul, in Zeitungspapier gewickelt, in einem Schuhkarton ausgesetzt worden. Immer wieder macht ihr asiatisches Aussehen neben den blondhaarigen Geschwistern ihr „das schwarze Loch ihrer Herkunft“ bewusst. Der Bruch mit den Adoptiveltern wird angedeutet: Als Miriam die Steins verlässt, zitiert ihre deutsche Mutter den Satz vom Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat.
Nüchtern und ohne Selbstmitleid, gelegentlich auch schnoddrig rekapituliert Miriam Stein ihre Geschichte, auch ihre Versuche, über Genanalysen und einen Besuch im Waisenhaus in Korea, wo sie zur Adoption freigegeben wurde, ihrer Identität auf die Spur zu kommen. Doch die Brüche bleiben schmerzhaft: „Du bist nie ganz innen, passt nie ganz nach außen.“

Das SETT-Festival dauert noch bis 4. Dezember. Auf dem Programm stehen unter anderem „Die falsche Zofe“ mit dem Théâtre des Bouffes du Nord aus Paris (1. und 2. Dezember) und „Kämpferische Träume“ mit dem Teatro Avenida aus Maputo in Mosambik (3. und 4. Dezember).

www.sett-festival.eu

Artikel vom 25.11.2010 © Eßlinger Zeitung
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