Schwarzenbergplatz

Von Haug / Kaegi / Wetzel

Bühnenstück über das Wien der Diplomatie und Repräsentation, über das, was gesagt und das, was nicht gesagt werden soll.

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 Wenn Sie über dieses Projekt etwas in der Presse lesen sollten, dann hätte es schon versagt .– So lägen die Dinge, nützte Rimini Protokoll den Ausgangspunkt für ihr neues Projekt als direkte Vorlage. Denn diese Kurzformel begegnete ihnen im Wien der internationalen Beziehungen: „Wenn Sie davon etwas in der Presse lesen, hat die Diplomatie bereits versagt“. Doch wie funktioniert dieser prä-demokratische, in Jahrhunderten internationaler Kontakte gewachsene Codex der performativen Beziehungs-Pflege zwischen Staatsapparaten? Wie führt sich ein Land im Ausland auf? – „Da fragen Sie besser das Protokoll.“ Es regelt nicht gutes Benehmen sondern den Code of Contact für die richtige Verbalnote und den gesamten Verlauf des Treffens. Die hierarchische Ordnung der Kontaktpersonen wird immer streng eingehalten, Gespräche finden nur auf der gleichen Ebene statt. Wer mit den ausländischen Politikern wie lange zu Abend isst, steht auf einem dramaturgischen Zettel längst bevor diese österreichischen Boden betreten. Die 5 Motorräder fahren im Keil vor der Autokolonne die immer gleiche Route vom Flughafen zum Hotel, alle Ampeln werden automatisch auf Grün geschaltet. Würde sich diese Szene ändern, so entstünde womöglich ein Zeichen, das von den Medien falsch interpretiert werden könnte. Falsch gelesen.

Entsprechend ihrer Arbeitsweise kommen Rimini Protokoll nach Wien ohne Skript und Besetzungsliste und entwickeln das Stück vielleicht in Auseinandersetzung mit der Diplomatie als internationalem Modell für Beziehung einerseits, mit dem Theater als Kunstform anderseits, und das vor Ort: am Schwarzenbergplatz – dem Platz, der nach seiner jüngsten Umgestaltung nun von der Tourist Information als „homogene Erholungsfläche“ angepriesen wird mit „seltener Einheitlichkeit und beispielloser Disziplin“.

Er liefert ein uneinheitliches städtisches Protokoll Wiens als Hauptstadt und internationaler Stadt – mit dem ‚Sieger’-Denkmal für Fürst Schwarzenberg und dem Befreiungsdenkmal der Sowjets. Im ehemaligen Sitz der Alliierten hat sich das Institut für Österreichische Wirtschaftsprüfer niedergelassen. Neben dem Kasino, der Offiziersgesellschaft, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, dem Sitz der Österreichisch-Bulgarischen Gesellschaft, dem Landesgericht für Zivilrechtssachen, der Wirtschaftskammer, diversen Versicherungen, Geschäften, Schnellrestaurants und zwei Würstelständen befindet sich auch die Französische Botschaft am Platz, die Türkische ist umgezogen.

Frau Gehlendörfer* vom ausländischen Dienst sagt: Wir Diplomaten ölen das Getriebe. Deshalb muss sie manchmal mit den richtigen Leuten an der richtigen Stelle die halbe Nacht lang Raki trinken, damit was geschieht in ihrem Stück Weltpolitik. An der Wand ihres Büros hängt eine Weltkarte – kleine bunten Fahnen zeigen diejenigen Städte an, in denen Österreich über Vertretungen verfügt. Ob ein Konsulat ausreicht oder ein Botschaft nötig ist hängt oft vom theatralischen Bedürfnis des Gastgeberlandes ab. Je patriarchalischer, dogmatischer ein Staat, desto größer das diplomatische Theater. Ursprünglich in Österreich ein Ehrenamt für Aristokraten, ist das blaublütige Patent auf die ständige Vertretung des Landes und seiner Interessen gelockert, die Ausbildung steht jedem offen und die Auswahl der Vertreter ist mittlerweile in ein Assessment Center ausgelagert worden.

 *Name geändert.

Von: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel

Mit: Brigitte Hörbinger (Ex-Generalkonsuls-Gattin), Ulrike Zimmel (inh. "Fahnen Christl"), Horst Fischer (Seketär eines Honorarkonsulats), Hofrat Dr. Willfried Kovárnik (Fremdenpolizei der Stadt Wien), Major Thomas Mader (eh. Kommandant Ehrengarde), Adrian Weygand (Strategiespiel-Experte, Diplomatensohn), Martin Thelen (Auswärtiges Amt), Dr. Wolfgang Wolte (Botschafter i.R.)

Mitarbeit Bühne: Viktoria Rautscher

Dramaturgie: Andreas Beck

Premiere: Burgtheater Wien, Kasino am Schwarzenbergplatz, 4. Dezember 2004