Heuschrecken

Von Stefan Kaegi

Heuschrecken können sich zu Schwärmen verbinden und zu Plagen von biblischen Ausmassen werden – so kennt man die Tiere aus Horrorfilmen und Politikerreden gegen allzu gefrässige Finanzinvestoren. Aber eigentlich sind sie Einzelgänger. In Biomasse gerechnet zählen sie zu den Gewinnern der Evolution, ihr Chitinpanzer schützt sie vor Strahlung, hohen Temperaturen und veränderten Druckverhältnissen. Erst bei Platz- und Futtermangel mutiert ihr genetisches Programm, auf der Suche nach neuen Lebensräumen und Futterquellen schliessen sie sich zusammen und beginnen zu wandern.

 

Stefan Kaegi entwickelt im Schiffbau ein Terrarium als Parallelwelt. Eine Inszenierung mit mehr Darstellern als Zuschauern: Tausende Heuschrecken bevölkern ein Bühnenbild aus Sand und Weizen als Lebensraum im Exil. Im sesshaften Zustand zerstreuen sich die Tiere: Sie lagern einzeln, sorgen mit einer kurzen Bewegung der langen Hinterbeine für den nötigen Abstand zum Artgenossen und testen zirpend die Fortpflanzungsbereitschaft potentieller Partner. Dabei werden sie durch Kameras und Feldstecher beobachtet, inszeniert und vertont. Experten aus der Migrationsforschung, Politologie, Lebensmittelinginerie und Insektenkunde begeben sich auf die Reise in die fremde Welt der Insekten und erforschen deren Planeten jeden Tag weiter. Die Biosphäre auf der Bühne wird zum Zukunftsmodell für ein Leben nach dem Klimawandel: Wer frisst am meisten, und was passiert, wenn es nicht genug für alle gibt? Wie geht ein Leben ohne Wasser? Wie organisiert sich die Heuschreckenpopulation, was bewirken Veränderungen des Lebensraums? Canetti sagt, wir sehen in jedem Tier einen verkleideten Menschen, der über uns lacht. Doch wie schaut man 8000 Heuschrecken in die Augen?

 

 

Konzept+Regie Stefan Kaegi

Bühne Dominic Huber

Musik Bo Wiget

 

 

Produktion: Schauspielhaus Zürich in Koproduktion mit dem HAU Berlin