100% Berlin

- Eine statistische Kettenreaktion

Von Haug / Kaegi / Wetzel

„100 Prozent Berlin“ - eine Ansammlung, die eine Stadt ist, eine Gruppe, die sich erst wahrzunehmen beginnt, ein Chor, der noch nie geübt hat, ein unmögliches Gebilde mit vielen Gesichtern stellt sich zu immer neuen Gruppenbildern zusammen. Gruppenbilder als flüchtige Portraits von Zugehörigkeit. Als Familienersatz oder Kleinstverein. Nach Alter oder Wohnsitz, nach Geschlecht, politischer Gesinnung, bevorzugten Eckkneipen, Verkehrsmitteln, Brotaufstrichen, Dramatikern sortiert und dann, nach und nach, als Stimmenmeer, als geometrischer Körper auf 100 Quadratmetern Bühne... 

Seit 100 Jahren ist das Hebbel-Theater eine Schaubühne für Stücke, in denen der Einzelne im Verhältnis zu seinem Verbund gezeigt wird. Die Bühne des Hebbel-Theaters war immer auch eine Bühne des besonderen Einzelschicksals, mit dem sich das Publikum auseinandersetzen konnte. Das Publikum repräsentierte die Gesellschaft, der Schauspieler den Einzelnen.Auf der politischen Bühne und ihren medialen Spielorten sind es Zahlen, die die Welt bedeuten, ist Gesellschaft ein flirrendes Gebilde aus gezählten, geschätzten, errechneten und repräsentativen Werten.

„100 Prozent Berlin“ lädt 100 Berliner auf die Bühne:Wer aber sind diese 100 Berliner? Wie entsteht ein Querschnitt durch die Gesellschaft und wie kann er sich „darstellen“? Entgegen anderer Rimini Protokoll Projekte, in denen ein groß angelegtes Casting der Arbeit vorausgeht, wird für „100 Prozent Berlin“ nur ein einziger Mensch gecastet. Diese Person schlägt einen weiteren Teilnehmer aus ihrem Bekanntenkreis vor, diese einen weiteren, bis die 100 Berliner, also „100 Prozent Berlin“, beisammen sind. Diese Kettenreaktion wird durch ein Raster von Suchkriterien gesteuert, das in Auseinandersetzung mit Erhebungen des Amtes für Statistik Berlin Brandenburg entstanden ist: Jedes dazukommende Glied in der Kette muss Auskunft über Geschlecht, Alter, Familienstand, Nationalität und die Art des Einkommens geben. Entsprechend der Berliner Verhältnisse in diesen Kategorien wird die Suche nach einem neuen Glied der Kette zum Ende hin also immer anspruchsvoller.

 

von Rimini Protokoll (Haug / Kaegi / Wetzel)
Regie: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel
Bühne: Mascha Mazur
Recherche + Dramaturgie: Cornelius Puschke
Live-Musik: Di Grine Kuzine
Chorleitung: Bernd Medek
Regieassistenz: Julia Schulz
Bühnenbildassistenz: Dennis Dellschow
Hospitanz: Ariel Davila, Laura Kraus
Produktionsleitung: Heidrun Schlegel

Eine Produktion von Rimini Apparat in Koproduktion mit dem HAU Berlin, gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds.

Siehe auch:
Videointerview von Frerk Lintz unter:

http://www.folge-mag.com/rimini_protokoll.html